Andacht zum Sonntag Jubilate

 

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. (Johannes 15,5)

 

Ein schönes Bild zu dieser Jahreszeit, passend auch zum heutigen Sonntag Jubilate: Jubelt! Jubelt, weil Gott möchte, dass wir uns mit ihm im Glauben freuen können. Doch dann fallen mir die Menschen ein, die das gerade überhaupt nicht genießen können. Menschen in Pflegeheimen, die wie abgeschnitten sind von der Welt draußen. Weil sie ihre Häuser nicht verlassen können. Weil sie nicht einmal besucht werde dürfen, selbst wenn es ans Sterben ginge. Ich denke, das kann sich jede und jeder von uns ausmalen, was es bedeutet, nicht einmal Abschied nehmen zu können.

Im persönlichen Bericht einer Rundfunkredakteurin kam zum Ausdruck, wie groß die Belastungen auf beiden Seiten werden können. Bei den Eltern, die nicht besucht werden dürfen, und bei deren Kindern und Enkelkindern, denen die reale Begegnung genauso schmerzlich fehlt. Sicher kann man telefonieren und skypen, man kann sich liebe Worte zusprechen. Doch auf Dauer können die sozialen Medien unsere Sehnsucht nach spürbarer Nähe, nach Berührung und Zärtlichkeit nicht stillen.

So rückt uns diese „Corona-Zeit“ schmerzlich ins Bewusstsein, wie verletzlich wir doch sindnicht nur in körperlicher Hinsicht, sondern auch im Blick auf das soziale Geflecht, in das wir eingebunden sind.

In den drei Sätzen vom Weinstock und seinen Reben geht es ebenfalls um Beziehung. Da heißt es zunächst: Ich bin der Weinstock- ihr seid die Reben. Aber was bedeutet das für uns? Dass wir so zu Christus gehören wie eine Rebe zum Weinstock, aus dem sie herauswächst. Jesus beschreibt mit diesem Bild keinen Zustand, sondern ein Verhältnis- es geht um die Beziehung zwischen ihm und seinen Jüngern, und das dürfen wir ausweiten auf die Beziehung zwischen ihm und uns heute.

Ich bin der Weinstock. Ihr seid die Reben. Ihr gehört zu mir. Untrennbar. Für alle Zeit. Davon handelt auch der zweite Satz: Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Was im Bild des Weinstocks noch eindeutig ist, wird fragwürdig, wenn man es auf unsere Beziehung zu Jesus Christus überträgt. Wie kommt es dazu, dass wir „in Christus sein“ können?

Da hilft ein Blick auf den Apostel Paulus, der das Geschehen unserer Taufe mit dem Tod Jesu und seiner Auferweckung beschreibt. Er ist der Überzeugung: In der Taufe haben wir Anteil am Tod Jesu und zugleich an seiner Auferweckung. Dort, wo bei der Taufe der Mensch ganz untergetaucht wird, ist das noch anschaulich. Das Untertauchen gleicht dem Sterben, das Auftauchen und Herausziehen dem Auferstehen, der Geburt zu einem neuen Leben „in Christus“. Das mag vielleicht etwas kompliziert klingen und ist - wie so vieles am Glauben- nicht leicht zu erklären.

Doch wir können es uns einfach merken: Seit unserer Taufe gehören wir zu Christus! Er in uns, und wir in ihm. Wenn wir unser Leben daraufhin betrachten, lässt sich manches finden, das wir als „Frucht“ dieser Verbindung mit Christus beschreiben könnten. Das wird unterschiedlich sein- so verschieden wie wir Menschen nun einmal sind. So unterschiedlich, wie es auch die Früchte des Weinstocks sind. Was für ein Reichtum! Bleibt noch der dritte Satz „denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Da mag mancher meinen: Denkst du! Sehr wohl kann man viel in dieser Welt auch ohne Jesus Christus tun. Das ist durchaus richtig. Es gibt Menschen, die mit sich und ihren Möglichkeiten auszukommen suchen. Die nichts vom Glauben an Jesus Christus halten. Die nur sich und ihre Möglichkeiten kennen. Das ist sehr ehrenhaft und nötigt Respekt ab. Doch in diesen Tagen wird auch deutlich, wie sehr Menschen damit an ihre Grenzen kommen.

Wenn wir die Worte Jesu einmal wenden, dann heißt es in etwa „Mit mir könnt ihr vieles tun“ oder „mit mir kann euch das ganze Leben gelingen!“ Dabei gehört es zu den Lebenserfahrungen dazu, dass uns Menschen längst nicht alles im Leben gelingt. Dass zum Leben das Verlieren und manchmal sogar das Scheitern dazugehört. Aber damit ist das Leben nicht aus und vorbei. Es kann zu einem Neuanfang kommen. Vielleicht anders als vorher, aber nicht weniger wertvoll. Weil auch im Scheitern die Verbindung zu Jesus Christus bestehen bleibt. Weil es die Chance zum Neuanfang gibt, und die lebendige Beziehung zu ihm nicht endet. Selbst dann nicht, wenn unser Leben hier auf Erden zu Ende geht.

Die Beziehung zwischen Jesus Christus, dem Weinstock, und uns, den Reben – die übersteht auch den Tod. Weil wir nicht nur in diesem Leben mit ihm verbunden sind, sondern weil er auch im Sterben, im Tod und über den Tod hinaus an uns festhält, und unserem Leben einen neuen Morgen in seiner Ewigkeit schenkt. Bleiben Sie behütet!

In herzlicher Verbundenheit grüßt Sie Pfarrer Friedrich Müller

Gebet: 
Jesus Christus! In dir wollen wir bleiben. Kraft von dir empfangen. Aus deiner Wurzel leben. Aufnehmen und weiterreichen, was du uns gibst. Frucht bringen. Ohne dich können wir nichts tun.
Kyrie eleison! Erbarme dich. Jesus Christus!
Du gibst die Kraft. Aus dir strömt sie. Gib sie denen, die müde sind, die erschöpft sind von Corona, die sich aufreiben in der Sorge für andere, deren Mut aufgebraucht ist, die sich fürchten vor dem, was kommt.
Du bist die Wurzel, die trägt.
Kyrie eleison! Erbarme dich. Jesus Christus!
Du bist der Friede. Du berührst die Herzen. Verwandle die Hartherzigen, die Kriegsherren und die Lügner.
Ihr Gift sei wirkungslos, weil du ihre Opfer heilst. Du bist das Glück für die Schwachen.
Kyrie eleison! Erbarme dich. Jesus Christus!
Du bist die Liebe. Du machst alles neu. Du bleibst.
Bleib bei den Trauernden und bei den Liebenden, denn ohne dich verlieren sie sich.
Du, die Liebe in Person, sprich zu uns, zu deiner Gemeinde und zu deiner weltweiten Kirche. Bleibe bei uns. Denn ohne dich können wir nichts tun.
Du bist der Weinstock. Erbarme dich, heute und alle Tage, die kommen.
Amen